Karate-Dô bedeutet sinngemäß "Der Weg der leeren Hand". Der "Weg" des Karate steht dabei nicht nur für "Weg" oder "Straße" im engeren Sinne, sondern auch für "Mittel" oder "Methode" im Verständnis eines "Lebensweges" oder einer "Lebenseinstellung". Es ist daher bedeutungslos sich das Erlernen der Kunst des Karate als Ziel zu nehmen, denn Karate ist eine Kunst, welche den Übenden ein Leben lang begleitet und in der man immer neue Aspekte erkennen, erlernen und verstehen kann.
Karate ist eine Körper- und Kampfkunst und eine Methode der Selbstverteidigung. Sie ist zugleich aber auch ein Weg zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit und zur Festigung des Charakters, der schließlich zu einem inneren Wachstum führt. Karate-Dô ist somit nicht nur eine Disziplin der Körperbeherrschung, sondern dient auch der Geistesbildung.
Meister Gichin Funakoshi schrieb hierzu:
So wie die blanke Oberfläche eines Spiegels alles wiedergibt, was vor ihm steht, und wie ein stilles Tal selbst den schwächsten Laut weiterträgt, soll der Karateschüler sein Inneres leer machen von Selbstsucht und Boshaftigkeit, um in allem, was ihm begegnen könnte, angemessen zu handeln.
Im Karate geht es nicht darum den nächsten Gürtel in möglichst kurzer Zeit, ohne großen Aufwand und möglichst ohne große Mühe zu erreichen. Dies ist im Karate nicht möglich, wie es in herkömmlicher Art und Weise in der modernen Sport-, Fitness- oder Freizeit-Welt üblich ist.
Im Karate gibt es keine Zeit, in der man irgendetwas erreicht haben müsste, sondern nur das, was man sich mit viel Geduld, Arbeit und Fleiß erarbeitet hat.
Im Karate geht es darum, das einmal erworbene Wissen um die körperliche Technik und dem Wissen um die entsprechende geistige Haltung, demgegenüber was er tut oder wie er sich verhält, gerecht zu werden.
Die Gürtelfarbe, die der Übende trägt, hat er durch seine inneren Leistungen mit der Verpflichtung der richtigen Handhabung nach außen hin zu zeigen.
Die Kyu- und Dan-Graduierungen
Im Karate unterscheidet man zwischen Meister-Graden ( Dan-Graden, schwarzer Gürtel) und Schüler-Graden (Kyu-Graden, farbige Gürtel).
Es gibt insgesamt 10 Dan- und 10 Kyu-Grade, wobei der 10.Kyu die Stufe des Anfängers darstellt. Mit Beginn des ersten Trainings erhält der neue Karateka (Schüler) den 10. Kyu, welcher meistens durch das Tragen des weißen Gürtels im Training dargestellt wird. Erst nach der ersten Prüfung (Prüfung zum 9. Kyu) ist der Karateka offiziell berechtigt den weißen Gürtel zu tragen.
Weißgurt (shiro obi) |
Der Schnee liegt auf der Landschaft. Der Lehrer sieht den Schüler nicht. Der Schüler sieht die Lehrer nicht. |
Gelbgurt (kiiro-obi) |
Der Schnee schmilzt. Die harte, gefrorene Erde leuchtet gelb. Der Lehrer sieht nicht, ob der Schüler fruchtbar ist. Der Schüler sieht nicht, ob aus dieser Lehre für ihn Frucht wachsen wird. |
Orangegurt (daidaiiro-obi) |
Die fruchtbare Erde leuchtet in der roten Abendsonne. Der Lehrer sieht noch keine Frucht. Der Schüler keimt, kann aber noch nichts. |
Grüngurt (midori-obi) |
Ein Pflänzlein kommt? Der Lehrer sieht, der Schüler versteht. Der Schüler erkennt die Wirkung der Lehre. |
5. Kyu (go-kyu) Violettgurt (aoi-obi) |
Die Baumkrone reicht in den Himmel. Der Lehrer sieht das Leben seines Samens. Der Schüler sieht die Tiefe der Lehre. |
4. Kyu (shi-kyu) Violettgurt (aoi-obi) |
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3. Kyu (san-kyu) Braungurt (chairo-obi) |
Der Baum hat feste Borke. Der Lehrer sieht den Beginn selbständigen Lebens. Der Schüler sieht, fest gewachsen, den ersten Gipfel in der Ferne. |
2. Kyu (ni-kyu) Braungurt (chairo-obi) |
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1. Kyu (ikkyu) Braungurt (chairo-obi) |
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Schwarzgurt (kuro-obi) |
"Grad des Suchenden nach dem Weg" - Er hat in mehrjähriger Karate-Dô-Praxis sein in der inneren Haltung sichtbar gewordenes Potential entwickelt, und er erkennt zunehmend, dass hinter der körperlichen Übung ein Weg zu Höherem als der reinen Beherrschung der Technik steht. - Er ist trotzdem noch ein "Suchender", weil er nur Vorahnungen von all dem haben kann. - Den ersten Schwarzgurt zeichnen sein Interesse, in der Verbindung von Geist und Technik eine Herausforderung zu sehen, seine Bereitschaft und sich auf mehr ein- zulassen, aus. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
"Grad des Schülers am Anfang des Weges" - Der Schüler steht noch am Anfang des Weges und hat nun die Bedingungen des Weges durch seine rechte Haltung verstanden. - Er hat sich noch nicht endgültig entschlossen, den Weg mit all seinen Hindernissen zu gehen, weiß aber, worauf es ankommt. - Seine intensive Karate-Praxis und sein Studium des Weges befähigen ihn, über den vordergründigen Kampfsport-Kontext im Dôjô hinaus die Kunst des Karate-Dô zu verstehen, sogar zunehmend auf weitere Lebenssituationen zu übertragen. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
"Grad des anerkannten Schülers" - Er hat sich nun entschlossen, den Weg der Kampfkunst, die er übt bis an sein Lebensende zu gehen. - Der Meister erkennt ihn nun als wahrhaftigen Weg-Schüler an. - Man erkennt den wahren San-dan an seiner Haltung in all seinen Handlungen, und nicht nur an seinem technischen Fortschritt. - Seine Treue gegenüber dem Stil (Ryu), dem Weg (Dô), der Schule (Dôjô) und dem Lehrer (Sensei) haben Kopf, Herz und Hand gleichermaßen gestärkt. - Karate-Dô ist ein wesentlicher Teil und alles durchdringender Aspekt seines Lebens geworden. - Immer mehr und immer häufiger beginnt er auch, den Meister, der in ihm selber steckt, zu spüren und zum Vorschein zu bringen. - Nicht nur seine technische Expertenschaft, sein Wissen und echtes Verstehen, sondern vor allem seine innere Haltung befähigt ihn, eine gewisse Unabhängigkeit und Freiheit, vielleicht sogar eine persönliche Interpretation zu entwickeln. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
"Grad des technischen Experten" - Er hat nun die technischen und körperlichen Grenzen erreicht und weiß nun, dass er sich auf einer anderen Ebene des "Weges" neuen Herausforderungen stellen muss. - Der Yon-dan identifiziert sich nun vollkommen mit der Kunst, die er seit Jahren übt, indem er die Philosophie und die Technik miteinander so verbindet, dass er nun in der Lage ist, Fortschritte in der inneren Perfektion zu suchen und zu finden. - Der Yon-dan ist die Vorstufe zur wahren Meisterschaft. - Karate-Dô ist nun für ihn eine Religion, ein Lebensprinzip geworden. - Er identifiziert sich völlig mit dem Weg. - Er hat die Theorie und die Praxis des Karate-Dô verinnerlicht, er lebt danach. - Er ist in jeder Hinsicht kompetent, glaubwürdig und vorbildlich. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
Renshi - "Kokoro - Grad des Wissens" - Renshi = Mensch mit reifem Bewusstsein. - Kokoro = Der Mensch mit Bewusstsein; er ist ein Teil jener Kunst geworden, die er übt. - Ein hohes Maß an Wissen, Lebenserfahrung, Gefühl und innerer Haltung. - Im traditionellen Karate-Dô ist dies nun ein Lebensprinzip geworden. - Er ist nun ein wahrer Meister und identifiziert sich völlig mit dem Weg. - Er hat Theorie und Praxis des Karate-Dô vollumfänglich verinnerlicht und ist bestrebt auch im Alltag nach diesen Prinzipien zu leben. - Er ist in jeder Hinsicht kompetent, glaubwürdig und vorbildlich und kennt die philosophischen Aspekte des traditionellen Karate. - Von nun an ist er eine bedeutende Autorität. - Er ist nun ein "Karate-Meister" mit Herz, Geist und Seele. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
Renshi - "Kokoro - Grad des Wissens" - Renshi = freie Lehrer-Schüler-Beziehung. - Kokoro = Der Mensch mit Bewusstsein; er ist ein Teil jener Kunst geworden, die er übt. - Bewusstwerdung, Klarheit, Selbsterkenntnis und Harmonie. - Es gilt immer noch nach wie vor, sich in allen Budô-Angelegenheiten wie zuvor zu bemühen (sowohl die körperliche Übung wie auch die geistige Übung). |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
Kyoshi - "Iro-kokoro - Grad der Reife" - Kyoshi = Großmeister des jeweiligen Stils. - Iro-kokoro = Mensch mit geistiger Reife. - Bekennung zum Leben, Überwindung von Tod, Zustand des Nicht-Bewegens, Reife, geistige Klarheit in den kosmischen und menschlichen Angelegenheiten. - Es ist dem Kyoshi klar dass er auch die körperliche Übung nicht allein durch die geistige Übung ersetzen kann und übt daher immer noch täglich alle Techniken seines Systems. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
Kyoshi - "Iro-kokoro - Grad der Reife" - Kyoshi = Großmeister des jeweiligen Stils. - Iro-kokoro = Mensch mit geistiger Reife. - Er weiß um die technische Übung bis ins hohe Alter ("Wer rastet, der rostet"). - Im Budô gibt es kein vorzeitiges Pensionsrecht oder Ruhestand, denn die Übung geht bis ins hohe Alter, ja bis zum Lebensende. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
Hanshi - "Iro-kokoro - Grad der Reife" - Hanshi = Großmeister des jeweiligen Stils. - Iro-kokoro = Mensch mit geistiger Reife. - All sein Verhalten und seine Handlungen sind Ausdruck von Einklang zwischen Innen und Außen und sind in Harmonie mit den kosmischen Kräften. - Er hat das Satori (geistige Erleuchtung) gemeistert und öffnet jenen das Tor zu den Budô- Geheimnissen, die über jede Form der Technik hinausgewachsen sind. |
Schwarzgurt (kuro-obi) |
Hanshi - "Iro-kokoro - Grad der Reife" - Hanshi = Großmeister des Stils, Vorstand des Stils, meist Begründer einer bestimmten Schule des jeweiligen Stils, Karate-Dô-Vater. - Iro-kokoro = Mensch mit geistiger Reife. - Diese Graduierung ist frühestens ab einem Lebensalter von 70 Jahren möglich. - Die letzte Transzendenz: ishin-denshin = "von Herz zu Herz" |